Wie bei den meisten Hunderassen wurden auch über den Ursprung der Retriever zahlreiche Theorien aufgestellt, deren Wahrheitsgehalt bisweilen schwer zu brurteilen ist. Als gesichert gilt jedoch, daß die Wiege eines ihrer Vorfahren in Neufundland stand. Als vor ungefähr 500 Jahren Fischer aus dem südenglischen "Devon" nach Neufundland segelten, um vor der Halbinsel Avalon bei St.John´s auf Fischfang zu gehen, hatten sie auch einige schwimmbegeisterte Hunde mit an Bord, deren Aufgabe es war, Schiffstaue und aus den Netzen springende Fische aus dem eiskalten Wasser zu apportieren. Diese Hunde, die mit ziemlicher Sicherheit aus Europa stammten, sollen unter anderem verwandtschaftliche Beziehungen zu den in Frankreich
heimischen St. Hubertus Hunden aufweisen.
Darüber hinaus werden auch starke Einflüsse des französischen Barbets sowie des portugiesisch-stämmigen Cao de Castro Laboreiro angenommen. Anfang des 16. Jahrhunderts begannen die Fischer aus Devon erste Siedlungen entlang der Küste Neufundlands anzulegen und neben dem Fischfang nun auch Federwildjagd zu betreiben. Aus diesem Grund benötigten sie jetzt einen Hund, der außer vorzüglichen Apportier-Eigenschaften auch ausgeprägte jagdliche Anlagen wie beispielsweise Beute-, Stöber- und Spürtrieb besitzen musste. Da sie auf dem Festland ganz offensichtlich keine einheimischen Hunde vorfanden und mit den apportierbegeisterten Tieren aus England ohnehin schon herausragende vierbeinige Helfer besaßen, setzten die Männer aus Devon gerade diese Hunde zur Zucht ein. Das war die Geburtsstunde des St. John´s Hundes, des gemeinsamen Urahns aller Retriever.
Diesen Hund (St. John´s Hund) zeichneten einige bedeutende Merkmale aus, die auch bei den heutigen Retrievern noch wiederzufinden sind. So hatte der St. John´s Hund ein ausgeglichenes und gutartiges Wesen, und er war ein außerordentlich guter Fährtensucher mit einer ganz beachtlichen Nasenleistung. Zudem war dieser neufundländische Hund ein ausgezeichneter und ausdauernder Schwimmer mit dichtem, kurzem und wasserabstoßendem Fell. Darüber hinaus war er nur mittelgroß, sodaß ihn die Fischer bequem in ihre kleinen Boote nehmen konnten. Obwohl bereits damals ein reger Warenhandel zwischen Neufundland und Großbritannien bestand, kamen St. John´s Hunde erst ungefähr 250 Jahre später mit Handelsschiffen auch nach England (Poole) und Schottland (Greenock). Einige von ihnen gelangten in den Besitz von Angehörigen des Landadels, die sich insbesondere wegen ihres ausgeprägten Apportiertriebes und hervorragenden Spürsinnes gern als Jagdhunde einsetzten. Andere wurden zum Beispiel von Wildhütern übernommen, die diese Hunde nicht zuletzt wegen ihres ausgeglichenen Wesens sehr schätzten.
Die St. John´s Hunde, die bis Mitte des 19. Jahrhunderts auf die britische Insel gelangten, waren die Zuchtbasis für alle dort entwickelten Retriever-Rassen. Aufgrund von Handelsbeschränkungen sowie eines Gesetzes, welches Hunde ohne Lizenz und Quarantäne nach Großbritannien einzuführen verbot, kamen später kaum mehr St. John´s Hunde auf die Insel. Anders als die Fischer und Jäger von St. John´s züchteten die reichen englischen Großgrundbesitzer, in deren Beistz zahlreiche dieser Hunde aus Neufundland gelangten, nicht zum Gelderwerb oder für das eigene Überlegen, sondern wohl eher zum Zeitvertreib. Auf ihren riesigen Landsitzen hatten sie nicht nur Muse genug, sich der Jagd hinzugeben, sondern sie besaßen vor allem auch ausreichende finanzielle Mittel, sich der Reinzucht der verschiedensten Hunderassen zu widmen. Heute geht man davon aus, daß gerade die in den Zwingern der Aristokraten gehaltenen St. John´s Hunde ohne vorherige Einkreuzung anderer Hunderassen reingezüchtet wurden und so die Labradorzucht begründeten. Es gilt als ziemlich sicher, daß alle derzeit lebenden Labrador Retriever auf nur drei Zuchtlinien der Zwinger der englischen bzw. schottischen Adelsfamilie Malmesbury, Buccleuch und Home zurückgehen. Zunächst trugen die Hunde die Namen wie Englischer Retriever, Kleiner St. John´sHund und Kleiner Neufundländer (im Gegensatz zu den großwüchsigen Vorfahren des heutigen Neufundländers). Erst mit der Definition eines Rassestandards für diese Hunderasse setzte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Bezeichnung Labrador Retriever allgemein durch. Die offizielle Anerkennung dieses Standards durch den englischen Kennel Club erfolgte im Jahre 1903. Insbesondere wegen ihrer außergewöhnlichen Erfolge als Arbeitshunde wurden Labrador Retriever bei Jägern und Wildhütern immer beliebter. Ihre Popularität wuchs so stark an, das Labis schon bald in ganz Großbritannien zu finden waren und allmählich andere Rassen - wie z.B. die bis dahin äußerst begehrten und zum Apportieren eingesetzten Curly und Flat Coated Retriever - verdrängten. Heute sind Labrador Retriever über die ganz Welt verbreitet und gehören außer in Großbritannien vor allen in den USA und Kanada, aber auch in den skandinavischen Ländern sowie in Australien zu den beliebtesten Freunden und Helfern des Menschen.